Ein Monat Werkstatt
20.07.2019 Vor genau einem Monat ging uns auf dem Weg von Cartagena nach Süden zum zweiten Mal die Spannrolle des Zahnriemens kaputt und hat dieses Mal auch für den Tod der Kipphebel im Motor gesorgt. Es ist also nicht nur der Zahnriemensatz von Continental (der berüchtigte Conti Satz wie im Internet zu lesen ist), sondern auch der Zahnriemensatz von INA mit Vorsicht zu genießen. Glücklicherweise haben die Ventile keinen Schaden abbekommen, aber die Ersatzteilbeschaffung gestaltet sich trotzdem überaus schwierig.
In Kolumbien sind Ersatzteile eh nicht aufzutreiben, aber auch nicht im Rest von Südamerika. Der Werkstattmeister hat bis Brasilien herumtelefoniert, aber nicht alle Teile wären aufzutreiben gewesen. Vor allem die Dichtungen wie Zylinderkopfdichtung sind einfach auf diesem Kontinent nicht zu finden. Sehr überraschend, denn in Chile wird genau dieser Motor im Ducato verkauft! So auch unsere Recherche im Vorfeld der Reise. Was hier üblich zu sein scheint (auch bei anderen Europäischen Marken) ist, dass Neufahrzeuge verkauft, aber Ersatzteile einfach nicht bevorratet werden. Für einen 42 Jahre alten Renault bekommt man alle Teile praktisch vom Lager und das auch noch preiswert, aber für aktuell im Handel befindliche Fahrzeuge nicht.
So sind wir gezwungen Teile aus Deutschland zu importieren. Der Kauf per Internet dauert auch in Deutschland mit Versand ein paar Tage, dann haben gute Freunde die Teile nach Ecuador per DHL Paket mit der „Premium“ Option auf die Reise geschickt. DHL lügt natürlich extrem dreist im Internet was die Paketlaufzeit angeht, dort werden 8-10 Arbeitstage nach Ecuador angepriesen. Fakt ist, dass Stand heute das Paket seit 15 Tagen in der Post ist und bis auf den Scan „hat das internationale Paketzentrum verlassen“ keine weiteren Scans stattgefunden haben. Wir vermuten, das Paket steckt im Zoll in Ecuador falls wir Glück haben.
Weshalb eigentlich Ecuador? Hier in der Werkstatt hat niemand eine Zollnummer, die für den Import benötigt würde. Außerdem hat uns jeder abgeraten Teile hierher schicken zu lassen, da die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Auslieferung gegen Null ginge. Zum Glück haben wir Kontakt zu Hans von der Finca Sommerwind in Ecuador, der sich als Empfänger angeboten hat. Den Transport von Ecuador hierher organisieren wir in Zusammenarbeit mit Hans.
Nun sind wir den haltlosen Versprechungen von DHL aufgesessen, also gleich als Information an alle Mitleser, nehmt niemals DHL in Anspruch, die Lügen nur was die Laufzeiten angeht! Nehmt lieber UPS, das kostet zwar mehr, aber hat für uns zumindest in Peru gut funktioniert.
Ja, heutiger Stand einen geschlagener Monat in der Werkstatt stehen und kein Paket in Sicht. Heute ist Unabhängigkeitstag in Kolumbien, aber zum Feiern ist uns nicht zumute. Wir geben die Hoffnung noch nicht auf, aber die Warterei zehrt schon an den Nerven. Wir waren zwischendurch drei Wochen in einem Hotel hier in der Nähe, aber da dort keine Heizung vorhanden ist und das Warmwasser nur ab und zu lauwarm aus dem Wasserrohr in der Dusche (Duschkopf gibt es nicht) tröpfelt sind wir wieder ins Auto gezogen. Hier haben wir wenigstens Heizung und Warmwasser. Dafür wohnen wir auf einer Mischung aus Schrottplatz, LKW Parkplatz und Werkstatt.
Pasto, die Stadt in der wir gestrandet sind hat ein gewisses Problem mit Kriminalität. Zumindest was die Statistik angeht. Wir konnten schon einen Raubüberfall, Schlägereien und direkt vor der Tür die allabendlichen Drogendeals (Crack wie es scheint) beobachten. Ganz abgesehen von der Herumballerei mit automatischen Waffen in der Nacht (wir vermuten bei Geburtstagsfeiern). Uns ist zum Glück noch nichts passiert, wir gehen aber auch nur unter Tags raus zum Einkaufen. Die Stadt ist kalt, liegt auf 2600 m Höhe. Ein relativ ungemütlicher Ort um zu stranden. Dafür sind die Leute hier in der Werkstatt sehr nett und auch in der riesigen Markthalle bzw. der Einkaufsmeile nebenan sind die Leute nett.
Wie Ihr lest hoffen wir immer noch, dass das Paket mit den Teilen irgendwann ankommt und wir dann die Reise fortsetzen können. Sollte das Paket verschwinden bleibt wohl nur die eigenhändige Beschaffung aus Deutschland. Das wäre wohl extrem aufwändig und teuer, abgesehen von der Problematik mit dem T.I.P., denn an sich darf man das Land nicht ohne Auto verlassen. Die Strafen sind erheblich falls man erwischt wird.
Drückt uns die Daumen, dass wir bald wieder unterwegs sein können!
Ach ja, noch eine Bemerkung zum Schluss: Wie ihr lest schreiben wir nicht nur von tollen Erlebnissen und laden nicht nur tolle Smile-Instagram-Fotos hoch. Uns ist aufgefallen, dass in vielen Blogs nur die tollen Hurra Erlebnisse geschildert werden. Nur in persönlichen Gesprächen hören wir ab und zu von anderen Reisenden, dass auch bei denen nicht alles eitel Sonnenschein war. Wir denken, dass in einen lesenswerten Blog, den vielleicht auch zukünftige Reisende zur Information nutzen solche Sachen wie enorme Wartezeiten auf Ersatzteile in wenig attraktiver Umgebung gehören. Das kann passieren und wenn es passiert, dann gehört es zu so einer Reise dazu. Südamerika ist nicht mit Nordamerika oder gar Europa vergleichbar was Teilebeschaffung angeht. Dafür gibt es hier viele unglaublich nette Menschen und Landschaften, die zu beschreiben uns die Worte fehlen. Wir sind nun fast ein Jahr unterwegs und haben so viel gesehen, dass wir wohl Jahre brauchen um alles zu verarbeiten.
Weil wir gerade Zeit haben um Youtube leer zu gucken und immer wieder über Jammer Reportagen betreffend Staus auf Deutschen Autobahnen, Gejammer über die Städte vollparkende Paketdienste usw. sehen lasst Euch, liebe Leser, gesagt sein: Deutscher Autobahnstau ist im Vergleich zu vielen Strecken hier ein Genuss und Baustellen müssen eben sein, wenn die Strecke nicht aus Schotterpiste oder Schlaglöchern bestehen soll. Paketdienste sorgen dafür, dass wir in Europa den Luxus genießen aus ganz Europa Sachen kaufen zu können (ohne Zoll und andere lästige Begleiterscheinungen, ja wir sind glühende EU Fans!) und dann auch noch eine Lieferung innerhalb von 2 oder 3 Tagen erwarten dürfen.
Wie Ihr lest haben sich unsere Maßstäbe in dem Jahr Südamerika um einiges verschoben. Wir haben intensiv erlebt, was Kleinstaaterei als Hindernis bedeutet und welch fantastische Sache ein grenzenloses Europa ist. Wir haben die Wahlen in Deutschland verfolgt und auch das Elend mit diesem Brexit genannten wirtschaftlichen Selbstmord der Briten und kommen aus dem Kopfschütteln darüber nicht mehr heraus.
Wir sind stolzer denn je die Errungenschaften der EU zu haben, denn wir sehen täglich welche enormen Hindernisse Grenzen darstellen.